Denken ohne Geländer mit Festakt im Theater der Altmark eröffnet

Anerkennung und Dank, eine gut informierte und charmante Moderatorin, Musik von jüdischen Komponisten, ein Gespräch mit einem Gast aus Israel und vertiefende Begegnungen beim Sektempfang – im Theater der Altmark ist am 25. Januar das erste Jahrzehnt der Reihe „Denken ohne Geländer“ mit einem Festakt gewürdigt worden. Die Freiwilligen-Agentur Altmark e.V. hat in diesem Jahr die Projektträgerschaft übernommen.

„Zehn Jahre ,Denken ohne Geländer‘ bedeuten zehn Jahre des Erinnerns und des Reflektierens, zehn Jahre der Bildung und der Kultur. Ein Jahrzehnt, dass uns aufzeigt, was aus Hingabe und Begeisterung erwachsen kann.“ Mit diesen Worten drückte Landesjustizministerin Franziska Weidinger am Sonnabend im Theater der Altmark ihre Wertschätzung für eine Veranstaltungsreihe aus, die einzigartig in Sachsen-Anhalt ist. Die Hochschule Magdeburg-Stendal, das TdA und die Landeszentrale für politische Bildung gestalten seit 2016 rund um den 27. Januar, den Tag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz, ein Programm gegen das Vergessen und für Menschlichkeit. Der Schwerpunkt liegt in der Hansestadt Stendal, Veranstaltungsorte finden sich aber auch in beiden altmärkischen Landkreisen.

Franziska Weidinger, die in Vertretung des terminlich verhinderten Ministerpräsidenten Reiner Haseloff gekommen war, stellte in ihrer Rede „eindeutig und zweifelsfrei“ klar, dass den „absolut haltlosen Forderungen“ der AfD, die Landeszentrale für politische Bildung abzuschaffen, im Land Sachsen-Anhalt entschieden entgegengetreten wird. Für dieses Statement erntete sie kräftigen Applaus. Die Landeszentrale gestaltet „Denken ohne Geländer“ von der ersten Stunde an mit, vor allem in Person der stellvertretenden Direktorin Cornelia Habisch. Im Interview mit ihr wollte Moderatorin Antonia Kaloff vom MDR wissen, wie man junge Menschen für die Auseinandersetzung mit der Geschichte gewinnt. Cornelia Habisch sprach von der sehr großen Wirkung, die Berichte von Zeitzeugen, auch in medialer Form, haben: „Sie motivieren ganz viele Jugendliche, sich weiter mit dem Thema zu beschäftigen.“ 14 Veranstaltungen in Grundschulen, Sekundarschulen, Gymnasien und im Berufsschulzentrum des Landkreises Stendal hat „Denken ohne Geländer“ 2025 im Programm, die sich mit dem geistigen Erbe der Auschwitz-Überlebenden Batsheva Dagan befassen. Sie starb 2024 im Alter von 100 Jahren in Israel. Ursprünglich sollten es zehn Workshops sein – die Nachfrage von Schulen aus der gesamten Altmark war enorm hoch.

Für Stendals Oberbürgermeister Bastian Sieler ist die Begegnung mit dem Holocaust-Überlebenden Mieczysław Grochowski aus Polen das persönliche Highlight im zehnten Programm von „Denken ohne Geländer“. Gemeinsam mit der Landeszentrale für politische Bildung und dem Maximilian-Kolbe-Werk lädt die Hansestadt Stendal am 2. Februar um 10.00 Uhr zur Gedenkveranstaltung mit dem Zeitzeugen in die Katharinenkirche ein. Bei der Würdigung der Menschen, die sich für „Denken ohne Geländer“ engagieren, zeigte sich Bastian Sieler stolz darauf, „dass das Miteinander, die Verzahnung der unterschiedlichsten Akteurinnen und Akteure aus Kultur und Bildung so beispiellos funktioniert.“ Der Oberbürgermeister dankte den Förderern, in erster Linie dem Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, das mit Mitteln aus dem Landesprogramm „Demokratie, Vielfalt und Weltoffenheit“ dieses Projekt ermöglicht.

Er dankte auch Aud Merkel, die bis 2024 bei „Denken ohne Geländer“ die Fäden in der Hand hielt, und der Altmärkischen Bürgerstiftung Hansestadt Stendal in Person ihres Vorstandes Jürgen Lenski für die langjährige Begleitung als Projektträger. (In diesem Jahr hat die Freiwilligen-Agentur Altmark e.V. das Management der Fördermittel übernommen.) Eine Ehrung dieser beiden Menschen war natürlich auch seitens der Veranstaltenden geplant. Aud Merkel gab den Dank weiter „an viele, viele unsichtbare Helfer, die hinter den Kulissen dazu beitragen, dass diese Reihe so stattfinden kann“.

Im zweiten Teil des Abends ging Prof. Katrin Reimer-Gordinskaya von der Hochschule Magdeburg-Stendal ins Gespräch mit dem Ehrengast des Festaktes, dem israelischen Soziologen Natan Sznaider. Zum Einstieg schilderte sie ihre Sicht auf die Veranstaltungswoche „Denken ohne Geländer“, deren Ursprung in einem von ihr betreuten studentischen Projekt liegt. „Wir haben versucht, eine zivilgesellschaftlich getragene Alternative zum ritualisierten Gedenken zu schaffen, weil wir gemerkt haben, das ist etwas, was Menschen nicht hinreichend berührt, nicht abholt, nicht auffordert und ihnen nicht die Möglichkeit gibt, sich einzubringen mit ihren Gedanken und ihren Erfahrungen“, so die Professorin. Im anschließenden Gespräch mit Natan Sznaider über sein aktuelles Buch „Die jüdische Wunde“ (2024) stand die jüdische Philosophin und politische Theoretikerin Hannah Arendt im Mittelpunkt, von der sich die Veranstaltungsreihe den Titel geliehen hat. Aus ihrer Dankesrede „Menschlichkeit in finsteren Zeiten“ anlässlich der Verleihung des Lessing-Preises 1959, die eine zentrale Rolle im Buch von Natan Sznaider spielt, stammt auch der Leitgedanke des zehnten Programms von „Denken ohne Geländer“: „Im Gespräch manifestiert sich die politische Bedeutung der Freundschaft und der ihr eigentümlichen Menschlichkeit.“

Mit dem Festakt, bei dem auch die Bundestagsabgeordneten aus der Altmark, Dr. Herbert Wollmann (SPD) und Dr. Marcus Faber (FDP), zu Gast waren, ist „Denken ohne Geländer“ 2025 eröffnet.

Alle Informationen zum Programm, das bis zum 9. Februar andauert, gibt es auf der Projektwebsite www.denken-ohne-gelaender.de.

Fotos: Edda Gehrmann